AHOI TANGALLE!

von AK & Tom

Auf nach Tangalle! Wir haben eine Unterkunft am Marakolliya Beach gebucht, der noch etwas weiter östlich der Bucht von Tangalle liegt. Wir hatten gelesen, dass dieser Strandabschnitt besonders schön sein sollte und unser Budget gab diesmal sogar eine kleine Cabana her, auf die wir uns sehr freuten. Zwischen uns und der Cabana lagen allerdings noch ziemlich genau 56 km Busfahrt. Bus, das ist dieses bunte Blechding, was immer mit viel zu vielen Menschen an Bord und überhöhter Geschwindigkeit dauerhupend an uns vorbeirast – etwas mulmig war uns schon zu Mute, dass wir jetzt ein solches Gefährt besteigen sollten. Wir haben ja auch nicht gerade nur Handgepäck dabei. Natürlich hatten wir schon andere Reisende zu deren Buserfahrungen befragt und wussten schon, dass unser Gepäck wohl entweder neben dem Fahrer gestapelt wird oder einfach in der Luke am Heck des Busses verstaut wird.

 


Insbesondere auf letztere Variante, bei der man im Bus sitzend keinen Überblick hat wer hinten etwas ein und auslädt bei einem Halt, hatten wir so gar keine Lust – immerhin wäre es schon einer mittleren Katastrophe gleichzusetzen, wenn eines oder gar beide unsere Gepäckstücke mitsamt all den Klamotten, Handtücher, Schlafsäcken, Kontaktlinsen, etc. abhanden käme... darüber darf man sich wohl einfach nicht zu viele Gedanken machen und hoffen, dass alles gut geht. Trotzdem...

 

Wir hatten in unserer Unterkunft nach dem Weg zur Bushaltestelle gefragt und mit wilden Gesten wurden wir Richtung Hauptstraße geschickt. Auf dem Weg dort hin, mussten wir dann unbedingt noch einmal in unserer lieb gewonnenen Strandbar vorbei schauen, denn dort gab es einen richtig leckeren Kaffee (so wie man ihn bei uns kennt) – das Gesöff aus dem Homestays, was ein wenig wie erhitztes Brackwasser aus der Regentonne schmeckt und unter dem Decknamen „Sri Lankan Coffee“ läuft, kann man beim beste Willen nicht trinken. Mittlerweile hatten sich, wahrscheinlich auf dem Koffeinentzug zurückzuführende, Dauerkopfschmerzen eingestellt, die wir mit Cola und jeder Gelegenheit auf richtigen Kaffee bekämpften. Wir saßen also am Strand unter schattigen Bäumen, schauten der Surfern auf riesigen Wellen zu und genossen unsere letzten Momente im schönen Mirissa. Der nette Kellner hat auf unseren Gepäckberg deutend gleich kombiniert, dass wir wohl weiter reisen würden und uns endlich mal hilfreiche Tipps zum Busfahren gegeben.

 

Busse haben immer 2 Orte vorndran (pruuuust!) stehen, Startort und Zielort. Dazu stehen auf jeder Fensterscheibe noch ein weiterer Ort in dem gehalten wird. Jeder Bus hat einen Fahrer und einen Helfer. Der Fahrer ist dafür zuständig das Gaspedal dauerhaft durchzutreten und dabei möglichst niemanden umzufahren sowie immer eine Hand an der Hupe zu haben. Einmal hupen „Vorsicht hier komm ich, rechts von dir quetsche ich mich auf der Gegenfahrbahn vorbei, mir egal ob da gerade eine Kuppe ist“, zwei mal hupen „Ich bin jetzt neben dir, fahr doch mal bitte in den Graben rüber!“ oder auch „Hallo, dich kenn ich doch!“ oder „Achtung Fußgänger, aus dem Weg!“. Darüber hinaus gibt es noch weitere Aneinanderreihungen von Huptönen, deren Bedeutung wir noch nicht ganz entschlüsselt haben (und wohl auch nie werden). Zuletzt, ist der Fahrer auch noch für das Entertainment-Programm an Bord zuständig, indem er den vorne mittig hängenden Fernseher bedient, auf dem bevorzugt einheimische Livekonzerte gezeigt werden, denen der ganze Bus in höllischer Lautstärke ausgeliefert ist. Der Helfer hingegen steht in der Tür und brüllt an jeder Haltestelle in Dauerschleife wo der Bus hin fährt „Tangalletangalletangalletangalletangalletangalle!“, er organisiert das Einsteigen (bei stehendem Bus ganz einfach, bei rollendem Bus zieht er die Fahrgäste rein), er kümmert sich um das Verstauen des Gepäcks und nebenbei quetscht er sich ständig von vorne nach hinten durch den Bus um zu kassieren. Außerdem besorgt er dem Fahrer an seinen Lieblings-Snackbuden Knabberein und Getränke, wenn nicht gerade ein fliegender Händler etwas passendes im Sortiment hat. Busse halten dort, wo die gelbe Linie auf der Straße eine Haltebucht formt – oder auf zuwinken. Manchmal gibt es auch ein Wartehäuschen. Zu einem solchen hat uns der nette Kellner geschickt mit dem Hinweis, dass alle Busse nach Tangalle über die Stadt Matara fahren, wo man umsteigen müsse (auch das noch!) und es nur 2 Busse mit der Nr. 34 gäbe, die direkt bis Tangalle durchfahren würden, wobei diese allerdings immer besonders voll wären.

 

Im Bushäuschen saßen schon zwei verzweifelte Engländerinnen mit Backpacks, die auch in unsere Richtung wollten und offensichtlich unser Schicksal der Bus-Premiere teilten. Noch bevor wir uns fertig austauschen konnten, kam ein Bus heran gerauscht und es stand tatsächlich „34, Colombo, Tangalle“ vorndran (!), noch bevor wir uns versahen, wurde unser Gepäck in den Bus befördert und wir in den Gang gequetscht. Pro Reihe links zwei und rechts drei Sitze, entsprechend eng der Gang. Der Bus war wirklich voll, sehr voll und mit den Rucksäcken auf dem Rücken konnten wir uns gar nicht mehr bewegen. Hier scheint es jedoch üblich zu sein, dass die Glücklichen, die einen Sitzplatz ergattert hatten und auf dem Höllenritt zumindest nicht stehen mussten, das Gepäck der stehenden Pechvögel auf den Schoß oder zwischen die Beine zu nehmen. So bot uns eine nette Dame an die Rucksäcke vertrauensvoll zu lagern (wie nett, sowas würde einem zu Hause nicht passieren). Wie beim Zug fahren, kann man im Stehen nicht nach draussen sehen und so krallt man sich an den Haltestangen und Sitzen fest, fühlt sich wie in der Achterbahn und versucht beim Wechsel von heftigem Anfahren und ruckenden Vollbremsungen, schräg zur Fahrtrichtung stehend, nicht das Gleichgewicht zu verlieren (oder nicht den zuvor genossenen Kaffee im Bus zu verteilen). Hatten wir schon erwähnt, dass es wieder richtig heiß war und wir klitschnass? Und, dass immer mehr Leute in den Bus gequetscht wurden und wir im Gang immer weiter hinten standen? Natürlich ohne unsere Rucksäcke (Pässe, Handys, Laptops, Kamera, ...), die noch bei der netten Dame, mittlerweile einige Sitzreihen weiter vorne, waren – haben wir die Schlösser dran? Siehst du die Frau noch? Hoffentlich kommen wir mit all unseren Sachen heil an! Ob das ein geeigneter Zeitpunkt ist mit dem Beten wieder anzufangen? Noch schöner ist es nur im Sitzen, in dessen Genuss wir (naja, sagen wir zu ¾) - Gott sei Dank!- nach einer Stunde kamen. Feuertaufe bestanden! Busfahren ist auf jeden Fall ein Erlebnis für sich!

 

In Tangalle angekommen, schnappten wir uns das nächste TukTuk und fuhren mit der üblichen Ortsunkenntnis des Fahrers zu unserer Unterkunft für die nächsten drei Nächte – Ahoi „Starlight Cabanas“! Wir sind da! Wir sahen drei schöne, weisse Cabanas, die aussahen wie neu gebaut mit kleinen Verandas und Hängematten. Wir wurden von einer herzlichen Familie empfangen und die Tochter zeigte uns unsere Unterkunft. Wir folgten ihr um die Ecke und standen vor einer alten Holzhütte. Wie jetzt? Sie nannte es „Natural Cabana“ und überreichte uns den Schlüssel. WIE JETZT? Wir bekommen die olle Hütte? Wir sind gerade Bus gefahren und völlig kaputt und haben uns so gefreut auf eine neue Cabana und jetzt haben wir die Hütte? Nur weil das „Budget-Room“ bei Booking stand? Das stand doch bei den anderen auch! Na gut, also dann Hütte. So schlecht ist die nun auch wieder nicht, redeten wir uns ein. Guck mal, und es ist total ruhig hier und man hört die Wellen, es ist schön luftig weil das Dach nicht auf den Außenwänden anliegt und alles ist gut. Wir hatten uns gerade eingerichtet und alle Sachen verstaut, als die Tochter wieder um die Ecke kam. „Sorry sorry sorry, we made mistake, my father go to town and we made mistake. This not your cabana, you are not Schmidtbauers. Your cabana over there.“ TSCHAKKA! Wir tauschten also Cabanas mit dem Pärchen, was kurz nach uns ankam und bezogen glücklich unsere neue Cabana, mit großem Bett und Bad mit warmem Wasser!

 

Als nächstes testeten wir das Familienrestaurant und ließen uns von Mama mit frisch gekochtem Curry und Reis verwöhnen. Die Portionen waren so astronomisch groß, dass von den zwei Kilo Reis locker noch weitere 4-6 Personen hätten satt werden können und die Curries (man kriegt ja immer 5 Versionen) waren unglaublich lecker. Angekommen und gestärkt haben wir uns auf den kurzen Weg zum Strand gemacht, der ja „besonders schön“ sein sollte. Wir schauten rechts und links, keine Menschenseele. Geradeaus, das tosende Meer! Der Strand war wild mit meterhohen abgebrochenen Kanten und einer Brandung wie wir sie beeindruckender noch nie gesehen hatten. „Besonders schön“ zum ansehen, aber auf Grund der starken Strömung leider nicht zum baden geeignet. Für kühle Füße haben die Wellen jedoch gesorgt, deren Gischt bei jeder tosenden Welle weißen Schaum schlagend noch meterweit den Strand hoch kroch. Ein wahnsinnig schönes Naturschauspiel. Kaum vorstellbar, dass an diesem Strandabschnitt nachts tatsächlich Schildkröten zur Eiablage vorbeischauen sollten.

 

In den nächsten Tagen haben wir es uns kulinarisch gut gehen lassen, wurden von Mama mit den besten Coconut-Pancakes der Welt vollgestopft (irgendwie hat sie es mit der Teigmenge noch nicht so ganz raus, denn jedes Mal wenn jemand einen Pancake bestellte, kam noch ein ganzer Teller für alle anderen zum teilen dazu), haben in der Hängematte gefaulenzt, sind den Strand auf und ab spaziert und haben Zeit mit der wahrscheinlich nettesten Familie Sri Lankas und den anderen Reisenden bei lustigen Gesprächen verbracht. Nachts haben wir heulenden Hunden, meckernden Ziegen und einer Kuh gelauscht, die jämmerlich muhend nach ihrem Kälbchen suchte (ok, das war nicht so toll, srilankanisches nächtliches Landleben, dagegen hilft nur Oropax!). Jeden Abend sind wir zur Nachtwanderung am Strand aufgebrochen in der Hoffnung eine Schildkröte auf frischer Tat zu ertappen. In der ersten Nacht haben wir, nach einem anstrengendem kilometerlangen Spaziergang, zwar keine Schildkröte, dafür aber einen angeschwemmten weißen Kugelfisch im Sand gefunden, den so von uns auch noch keiner gesehen hatte. Ist der nicht giftig? Sogar tödlich? Das ist doch dieser Fugu, den die Japaner immer essen. Wie gut, dass wir da nicht drauf getreten sind! Hätte ja auch eine angeschwemmte Kokosnuss sein können, ist ja schließlich dunkel...

 

Erst in der dritten Nacht waren wir erfolgreich und haben eine Schildkröte beobachten können, die sich gerade ihren Weg den Strand hinauf bahnte um ihre Eier abzulegen. Wäre da nicht dieser bescheuerte chinesische Vollspacken gewesen, der mit seiner Stirnlampe und Blitzlicht an der Kamera immer schön drauf hielt und so die arme Schildkröte so verwirrt hat, dass sie unverrichteter Dinge wieder den Rückzug ins Meer angetreten hat. Diese respektlosen Chinesen...aber das wäre jetzt wohl noch ein eigenes Kapitel für sich.

 

Am nächsten Tag verabschiedeten wir uns wehmütig von der lieb gewonnenen Familie und unserer Cabana, wurden von Papa noch zum Busbahnhof gefahren und machten uns wieder auf die Reise. Tschüß du schöne Küste, tschüß Strand und Meer.

 

Wir haben die Zeit sehr genossen, sind endlich mal ein wenig zur Ruhe gekommen, ohne ständig von A nach B gehetzt zu sein. Wir haben vieles gesehen aber bestimmt auch vieles nicht gesehen. Wir hören auf unsere innere Stimme und achten darauf, das zu tun was uns glücklich macht – und was wir in dem Moment brauchen, nicht was der Reiseführer sagt. Wir schauen Tempel an, wenn wir mögen, wir liegen am Strand wenn wir Lust haben. Wir lassen die Gedanken treiben und schauen manchmal einfach nur in die Gegend. Wir fangen an die Bücher zu lesen, die wir nie begonnen oder zu Ende gelesen haben, weil die Zeit immer so knapp war. So vollgestopft mit allen möglichen Dingen, die erledigt werden wollten. Wir genießen die Einfachheit und den Luxus nichts tun zu müssen. Wir sind froh uns zu haben und neue Leute kennen zu lernen, die alle in fröhlicher Urlaubsstimmung sind. Wir tauschen uns aus und haben tolle Erlebnisse.

 

Es ist so wahnsinnig positiv auf Reisen zu sein – und gleichzeitig erleben wir auch negative Stimmungen. Wenn mir merken, dass das Nölpferd (danke Svenja ;-) mal wieder mit reist, der viertausendste TukTuk-Fahrer auf 1 km Strecke seine Dienste anbietet, das Bettlaken hätte sauberer sein können oder Tom's T-Shirt schon wieder durchgeschwitzt ist, das WiFi nicht geht, oder das Essen mal wieder zu scharf ist, der Weg zu steil, das Rucksack zu schwer, der Stich am jucken. Es ist also noch ein gutes Stückchen auf der Lernkurve zu gehen, Dinge auszuhalten, sich mal abzufinden und das Positive in jeder Situation zu sehen. Eine Gemütseinstellung an der wir arbeiten. Reisen ist nicht immer nur Urlaub... in diesem Sinne: auf geht’s ins Inland – nächster Halt: Safari!

 

Special credits to: Jule & André aus Münster, Moritz & Kasia „aus der Nähe von Düsseldorf“, Julian aus Wiesbaden, Kerstin aus Regensburg und Florian & Jelena aus Nürnberg sowie die gesamte Familie um Papa Chandana De Silva!

 


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